Vorwort

125 Jahre Turnermusik, das ist ein recht seltenes Jubiläum, nicht nur im näheren Umkreis. Der Spielmanns- und Musikzug in der Sportgemeinschaft Egelsbach gehört nach dem Spielmanns- und Fanfarenzug des TSV Klein-Auheim, der nur zwei Jahre älter ist, damit zu den ältesten musikalischen Gemeinschaften des Hessischen Turnverbandes. Aus einer solchen langen Vereinsgeschichte gibt es sicher Vieles zu berichten, Angenehmes und weniger Angenehmes, Gutes und weniger Gutes, Höhen und Tiefen; von großem Beifall bei musikalischen Auftritten, aber auch von manch kritischen Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinschaft. Zu einer solch wechselvollen Geschichte einer Gemeinschaft gehören immer wieder Menschen, die mit viel Energie, Idealismus und Verantwortungsbewußtsein nicht nur in Glanzzeiten mit Freude ihre Freizeit der Musik widmeten, sondern auch aus schwierigsten Situationen die Gemeinschaft wieder nach oben führten.

Die Gründerjahre

Die Ursprünge der Spielmannsmusik wird man in Egelsbach genau wie in den meisten anderen Städten und Gemeinden Deutschlands ganz eng verknüpft finden mit der Entwicklung des Turnens nach der Idee von Turnvater Friedrich Ludwig Jahn. So ist es nicht verwunderlich, daß bei beiden Egelsbacher Traditionsvereinen, sowohl beim Turnverein von 1874 als auch bei der Turngemeinde von 1885, bald nach deren Gründung auch ein Spielmannszug ins Leben gerufen wurde. Direkte schriftliche Hinweise oder gar Gründungsprotokolle sind in beiden Fällen nicht aufzuspüren, so müssen uns andere Quellen auf der Suche nach de Gründungszeit helfen. Nach mündlicher Überlieferung sollen es vier bis acht Spielleute gewesen sein, die 1876 im gerade erst zwei Jahre alten Turnverein den ersten Spielmannszug in Egelsbach gründeten. Fast alle waren vom Militär entlassene Turner, die ihre aktive Zeit genutzt hatten, sich als Trommler Pfeifer oder Hornist ausbilden zulassen. Die älteste schriftliche Erwähnung eines Spielmannszuges ist ein im Jahre 1879 angefertigtes Protokoll, in dem der Zugang mehrerer junger Leute zu einem bestehenden Spielmannszug vermerkt ist. Interessanter Weise findet man in diesem Protokoll schon Egelsbacher Familiennamen, die auch heute noch einen engen Bezug zur Turnermusik haben, wie z.B. Avemaria, Schlapp oder Schroth. Auch bei der Turngemeinde können wir nur indirekt auf die frühe Gründung eines Spielmannszuges schließen. In einem Protokoll vom 5. Februar 1887, - also auch gerade zwei Jahre nach dem Entstehen des Vereins -, wird die Anschaffung eines Schrankes erwähnt, in dem die benötigten Instrumente aufbewahrt werden sollten. Aus heutiger Sicht bedarf es wohl einer Erklärung, daß in einem so kleinen Dorf, wie es Egelsbach zu Ausgang des 19. Jahrhunderts zweifellos war, zwei völlig voneinander unabhängige Turnvereine mit eigenen Spielmannszügen gegründet wurden und Bestand hatten. Dazu muß man wissen, daß das damalige öffentliche Leben und damit auch die Tätigkeiten in den Vereinen sehr stark weltanschaulich und politisch geprägt und polarisiert war. Nach der Gründung eines "Arbeiter"turnvereins ist es leicht einzusehen, daß einige Jahre später als Pendant die Turngemeinde sich aus dem bürgerlichen Lager etablierte. Diese Unterschiede in der Herkunft der Vereine hielt an bis zur Auflösung 1933 und war sogar noch bei der Gründung der Sportgemeinschaft nach dem 2. Weltkrieg zu verspüren. Beide Egelsbacher Turnervereinigungen hatten ein eigenständiges Vereinsleben, an dem die Spielmannszüge wesentlichen Anteil hatten. Beim Anturnen im Frühjahr und beim Abturnen im Herbst eines jeden Jahres legten die Turner den Weg zwischen Vereinslokal und Turnplatz unter Vorantritt der Musiker zurück. Das Spiel der Trommler und Pfeifer sorgte dafür, daß der Zug in den Ortsstraßen exakt im Gleichschritt marschierte. Das Betätigungsfeld erstreckte sich aber in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens natürlich auch auf Auftritte bei Aufmärschen und Festzügen auf örtlicher Ebene. Oft vergessen und kaum in den Chroniken erwähnt wird die frühe Verbindung der Turnermusiker mit der Blasmusik, das Blasorchester der heutigen Zeit hatte also durchaus schon einen historischen Vorgänger. 

Turnverein-Musikkapelle 1890Aus dem Jahr 1890 stammt die fotografische Aufnahme einer 14-köpfigen Blaskapelle. Auf diesem Foto ist der damals 20jährige Hornist Lorenz Avemarie zu sehen. Von ihm ist zu berichten, daß er 1906 zusammen mit anderen Musikern des Turnvereins den "Arbeitermusikverein" gründete, der nach der Vereinigung mit der "Zivilkapelle Egelsbach-Langen" 1927 schließlich als "Musikvereinigung Egelsbach" weiter bestand. Der erste Weltkrieg brachte im privaten sowie öffentlichen Leben so gravierende Einschnitte, daß jedes Vereinsleben und damit auch das Spielmannswesen zum Erliegen kam. Nach den Entbehrungen gingen aber schon 1919 unverzagte Männer daran, die Spielmannszüge neu zu formieren. Im Laufe der Zeit gelang es, die vom Krieg gerissenen Lücken zu schließen, die Turnermusik nahm einen neuen Aufschwung. An die Seite von Auftritte im örtlichen Bereich traten nun auch vermehrt die Mitwirkung bei Veranstaltungen in den Nachbargemeinden oder im überregionalen Bereich, so waren Egelsbacher Spielleute 1926 bei der Arbeiterolympiade im Frankfurter Waldstadion vertreten. 



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